Wie verhalte ich mich nach einem Verkehrsunfall richtig?
Ein Fachbeitrag der Kanzlei Edmund M. Jung, Freiburg.
Verfasser: Rechtsanwalt Klaus Eric Föhr, Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Freiburg
Wir sind uns wohl alle einig, dass jeder Fahrzeuglenker, der – verschuldet o. unverschuldet – in einen Unfall verwickelt wird, sich danach in einer Ausnahmesituation befindet und nicht mehr mit „kühlem Kopf“ denken und die Rechts- und Sachlage objektiv überblicken kann.
Was ist zuerst zu tun?
1. Zu allererst sollten Sie die Unfallstelle im Hinblick auf den nachfolgenden Fahrzeugverkehr ordentlich absichern, die Warnblinkanlage einstellen und Verkehrsschilder aufstellen. Vergessen Sie dabei nicht die gelbe Warnweste anzulegen.
Das Warndreieck sollte auf Landstraßen vor der Unfallstelle mindestens 100 Meter und auf Autobahnen mindestens 200 Meter aufgestellt werden.
2. Danach sollten Sie eine möglichst detaillierte Beschreibung/Aufzeichnung der Unfallstelle vornehmen.
Hier ein Tipp:
Stellen Sie beim Fotografieren der Reifenspuren des gegnerischen Fahrzeugs fest, dass die Seitenabstände der rechten Vorder- und Hinterreifen differieren, dann deutet dies gegebenenfalls darauf hin, dass der Unfallgegner noch kurz vor der Kollision versucht hat, den gesetzlich vorgeschriebenen Seitenabstand zu erreichen.
Schaffen Sie sich zur Beweissicherung ein Unfallaufnahmeset an oder stellen Sie sich ein solches zusammen und legen Sie es in das Handschuhfach. Es sollte ein Unfallaufnahmeblock nebst Stift und Bandmaß enthalten.
3. Polizei hinzuziehen?
Dies empfiehlt sich bei Unfällen mit Personenschaden, bei erheblichem Sachschaden, wenn Sie glauben, dass Ihr Unfallgegner unter Alkohol oder Drogeneinfluss steht, Ihr Unfallgegner im Ausland lebt oder dessen Fahrzeug im Ausland zugelassen ist.
Bei Bagatellschäden kommt die Polizei in der Regel nicht.
Wird die Polizei nicht zum Unfallort gerufen oder kommt aus irgendwelchen Gründen nicht, dann müssen Sie sich auf alle Fälle den Personalausweis und den Kfz-Schein zeigen, denn nicht immer ist der gegnerische Fahrer auch Halter des unfallbeteiligten Fahrzeugs. Gleiches gilt für das Kennzeichen und die Haftpflichtversicherung des gegnerischen Fahrzeugs.
Und vergessen Sie nicht, sich die Personalien von Unfallzeugen festzuhalten.
4. Machen Sie gegenüber Dritten oder der Polizei keine Angaben zum Unfallhergang. Sie sind kurz nach dem Unfallereignis noch nicht in der Lage zu einer sachgerechten Einschätzung des Unfallhergangs oder gar der Verschuldensfrage.
Sie werden zwar von den am Unfallort eintreffenden Polizeibeamten dahingehend belehrt, dass Sie gesetzlich nicht verpflichtet sind, Angaben zu machen. Sprechen Sie auch außerhalb einer polizeilichen Vernehmung mit den Beamten nicht über den Unfallhergang. Erfahrungsgemäß versuchen nicht wenige Verkehrsteilnehmer den Polizeibeamten in einem Gespräch diese von ihrer Unschuld zu überzeugen, was Folgen haben kann.
Im polizeilichen Unfallbericht können Sie dann mit hoher Wahrscheinlichkeit lesen: „Informatorisch teilte uns der unfallbeteiligte Herr Soundso mit, dass er“
Denn sollten Sie gegenüber der Polizei für Sie im Ergebnis ungünstige Angaben gemacht haben, dann kommen Sie von diesen Angaben in aller Regel nur noch schwer weg.
Überlassen Sie Angaben zum Unfallhergang lieber Ihrem Verkehrsrechtsanwalt, der zum Unfallhergang die notwendige Distanz hat und versuchen wird, keine für Sie nachteilige Sachverhaltsschilderung abzugeben.
Suchen Sie sofort nach dem Unfallgeschehen Ihren Verkehrsrechtsanwalt auf und warten Sie nicht, bis sich der Unfallgegner oder die Polizei bei Ihnen meldet.
Dasselbe gilt, bevor Sie einen Mietwagen in Anspruch nehmen. Lesen Sie hierzu unseren Fachbeitrag „Nehme ich einen Mietwagen oder verlange ich Nutzungsausfallentschädigung?
Mit Ihrem Verkehrsrechtsanwalt sollten Sie sofort nach dem Unfallgeschehen einen Plan erstellen, wie gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung Ihre einzelnen Schadenspositionen wie Fahrzeugschaden, Schmerzensgeld, Mietwagen oder Verdienstausfall abgeklärt oder gesichert werden können, oder ob für die Ermittlung Ihres Unfallschadens ein Sachverständigengutachten eingeholt werden soll oder ob ein Kostenvoranschlag Ihrer Reparaturwerkstatt genügt.
5. Geben Sie auch nach dem Unfall gegenüber Ihrem Unfallgegner kein Schuldanerkenntnis ab, da dies zu Schwierigkeiten mit Ihrer Haftpflichtversicherung führen könnte.
§ 7 Abs.II AKB führt dazu aus:
(Obliegenheiten im Versicherungsfall) Bei Haftpflichtschäden ist der Versicherungsnehmer nicht berechtigt, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers einen Anspruch ganz oder zum Teil anzuerkennen.
6. Ein abgegebenes Schuldeingeständnis kann aber auch zu nachteiligen Folgen im Rahmen der Schadenregulierung gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung oder bei Gericht führen, wenn Sie in etwa sagen: „Ich habe den Unfall verschuldet und komme für den Schaden auf“.
Kurz nach dem Unfallgeschehen lässt sich in den meisten Fällen nur schwerlich beurteilen, ob man den Unfall tatsächlich allein verschuldet hat.
Die Gerichte bewerten aber in aller Regel eine mündliche Aussage, den Unfall verschuldet zu haben, nicht als Schuldanerkenntnis.
Bei der anschließenden Beweiswürdigung kann jedoch der Richter Ihre Aussage zu Ihrem Nachteil mit einbeziehen.
Ein schriftliches Schuldanerkenntnis dagegen kann sehr wohl vor Gericht Bestand haben.
Einem erfahrenen Verkehrsrechtsanwalt kann es aber unter Umständen gelingen, Ihr Schuldanerkenntnis zu widerrufen, wenn er z.B. glaubhaft vortragen kann, dass Sie infolge der Verletzung abgelenkt waren, unter Schock standen oder vom Unfallgegner unter Druck gesetzt worden sind.
7. Umkehr der Beweislast
Lässt sich der erforderliche Verpflichtungswille des Anerkennenden nicht feststellen (Beweislast beim Anspruchstellers), kann das Schuldanerkenntnis dem Empfänger nur im Rahmen der Beweiswürdigung helfen.
Dass die Beweislage sich zugunsten des Geschädigten verbessern soll, wird dann so begründet: Der Beweisvorteil ist ein Ausgleich dafür, dass der Geschädigte im Vertrauen auf die Erklärung auf eine polizeiliche Unfallaufnahme verzichtet hat. Wenn der Anerkennende später von seiner früheren Darstellung abrückt, hat er die Beweislast dafür, dass das Anerkannte unrichtig ist.
Solange dieser Beweis nicht geführt ist, muss der Empfänger des Anerkenntnisses seine anspruchsbegründenden Behauptungen zum Unfallhergang nicht beweisen.
So BGH vom 10.01.1984 VI ZR 64/82:
Im Verkehrsunfallprozess besitzt eine an der Unfallstelle abgegebene spontane Äußerung im Regelfall nicht die Rechtswirkungen eines konstitutiven oder deklaratorischen Schuldanerkenntnisses. Allerdings ist die Unfallschilderung eines Unfallbeteiligten im Rahmen der freien Beweiswürdigung als gewichtiges Indiz zu würdigen.
Fazit:
Sichern Sie nach dem Unfall sofort die Unfallstelle ab und gehen Sie an die Beweissicherung (Fotos von der Unfallstelle und Abmessungen vornehmen.
Machen Sie gegenüber der Polizei oder Dritten keine Angaben zum Unfallhergang, sondern überlassen Sie dies Ihrem Verkehrsrechtsanwalt.
Geben Sie an der Unfallstelle auf keinen Fall ein Schuldanerkenntnis ab und suchen Sie sofort Ihren Verkehrsrechtsanwalt auf.