Definition des § 325 a StGB
Wenn beim Betrieb einer Anlage unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Lärm verursacht wird, stellt dies gem. § 325 a StGB eine Straftat dar.
325 a Abs. 1 umfasst eine abstrakte Schädigungseignung. Der verursachte Lärm muss lediglich geeignet sein, die Gesundheit eines anderen außerhalb des zur Anlage gehörenden Bereichs zu schädigen. Es handelt sich um ein weit zu verstehendes abstraktes Gefährdungsdelikt. Bei abstrakten Gefährdungsdelikten sind alle Verhaltensweisen mit Strafe bedroht, die das unter Schutz gestellte Rechtsgut generell gefährden können.
Gefährdung durch Lärmpegel
Was ist ein Gefährdungsdelikt?
Die Eignung des Lärmpegels zur erforderlichen Gesundheitsschädigung ist nach dem Erfahrungsstand der Wissenschaft zu beurteilen. Gewöhnlich wird bei einem Dauerschallpegel auf den Grenzwert 80 dB(A) abgestellt. Die typische Schmerzschwelle liegt bei 120-130 dB und kann ebenfalls als Orientierungswert herangezogen werden Allerdings können fallabhängig auch Einzeleinwirkungen unabhängig von ihrem Schallpegel, ihrer Dauer, ihrer Häufigkeit oder Impulshaltigkeit vom Tatbestand umfasst sein. Die Schädigungseignung muss folglich in jedem Einzelfall gesondert bestimmt werden. Es bedarf zur Feststellung sowohl ein Schallmessungsgutachten hinsichtlich des Lärmpegels als auch ein medizinisches Gutachten. Auch können die Richtwerte der TA-Lärm und sonstige Leitlinien der Länder als Indiz/ Orientierung hinzugezogen werden. (Szesny in Leipold Tsambikakis/ Zöller Anwaltskommentar, § 325 a Abs.1 Rn.9 ff.) Tieffrequente Schalleinwirkungen sind hierbei ebenso zu berücksichtigen.
§ 325 a Abs. 2 StGB fordert das Vorliegen einer konkreten Gefahr. Die Lärmverursachung muss die Gesundheit eines anderen, dem Täter nicht gehörende Tiere oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährden. Hieran sind strengere Maßstäbe zu stellen als an das Vorliegen einer abstrakten Schädigungseignung. Die Gefährdung eines geschützten Rechtsguts muss bereits eingetreten sein, sodass die Wahrscheinlichkeit einer „echten“ Rechtsgutverletzung hoch ist. Nach dem Wortlaut des Abs. 2 muss die Gefährdung nicht außerhalb des Anlagenbereichs eingetreten sein. Somit reicht etwa die Gefährdung der Gesundheit innerhalb des Anlagenbereichs tätiger Arbeitnehmer aus (Szesny in Leipold Tsambikakis/ Zöller Anwaltskommentar, § 325 a Abs.1 Rn.12-15)
Neben dem strafrechtlichen Weg über § 325 a StGB existieren weitere Anlaufstellen, wenn beim Betrieb einer Anlage unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Lärm verursacht wird. Auch stellt sich in diesem Kontext die Frage, ab wann die jeweiligen Behörden von sich aus verpflichtet sind, die Verursachung von Lärm auf dessen Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. In Betracht kommen die Bauaufsichtsbehörden und die Immissionsschutzbehörden.
Bauaufsichtsbehörden
Gemäß den jeweiligen Landesverordnungen müssen die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Hierzu können die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Erteilung einer Baugenehmigung zunächst eine Schallprognose fordern, insbesondere wenn das Bauvorhaben in der Nähe von sensiblen Bereichen (Schulen, Wohngebieten, Krankenhäusern, etc.) liegt. Durch die Schallprognose kann die zu erwartende Lärmbelästigung durch das geplante Bauvorhaben analysiert werden. Auch können Maßnahmen zur Lärmminderung ermittelt werden. In der Regel muss die Bauaufsichtsbehörde die Einhaltung der im Rahmen der Baugenehmigung festgelegten Auflagen und Vorschriften im Nachhinein überprüfen. Wenn der Baugenehmigung eine Schallprognose zu Grunde liegt, muss dies kontrolliert werden. Hierbei kann die Behörde eine Nachkontrolle durchführen, die sicherstellt, dass die tatsächliche Lärmbelästigung den prognostizierten Werten entspricht. Dies bezieht sich auf die Standortwahl und die Einhaltung der Emissionsbegrenzung (Stichwort: Einhaltung des aktuellen Stands der Technik zur Lärmminderung) und die nachrangige Überprüfung der Einhaltung von Richtwerten. Dies kann beispielsweise durch Messungen vor Ort oder durch die Einreichung von Schallgutachten erfolgen. (Henkel in BeckOK BauNVO, §15 Rn.41 – 44.1)
Technische Baubestimmungen (TB) der Länder sind zu beachten.
Es liegt in der Verantwortung von Anlagenbetreibern sicherzustellen, dass diese Anforderungen eingehalten werden.
https://pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/55555-F%C3%BCr_eine_ruhige_Nachbarschaft.pdf
Beim Betrieb von Luftwärmepumpen, BHKWs und anderen Gerätschaften in Wohngebieten müssen Bauaufsichtsbehörden das Beschwerdepotential ernst nehmen und in ihre Überwachungsabläufe einpflegen, um etwaige Lärmbelästigungen gegenüber Nachbarn auch nach deren Errichtung zu überprüfen.
Im Falle eines Verstoßes gegen eine nachbarschützende Vorschrift kommt der Bauaufsichtsbehörde zwar ein Ermessensspielraum zu. Dieser Ermessensspielraum verdichtet sich jedoch zu einer Eingriffspflicht, wenn besondere Voraussetzungen vorliegen. Von der rechtswidrig baulichen Anlage muss eine Beeinträchtigung des Nachbarn von erheblichem Grad ausgehen und die Abwägung mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der nachbarlichen Interessen ergeben. Im Bereich der rechtswidrigen Lärmverursachung durch den Nachbarn schreitet die Bauaufsichtsbehörde in der Regel dann ein, wenn diese Richtwerte überschreitet oder es sich um wiederholte und anhaltende Störungen handelt. Hierbei können die genauen Bestimmungen je nach Land und Kommune unterschiedlich sein (VG Würzburg Urteil v. 24.10.2017 – W 4 K 16.474; VGH Baden-Württemberg Urt. v. 14.08.2018, 5 S 2083/17).
Immissionsschutzbehörden
Die Bundesimmissionsschutzbehörde hat gem. §1 Abs. 1 BImSchG den Auftrag, Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser. die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen. Ebenfalls soll sie dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorbeugen. Zu diesem Zwecke kommt der Bundesimmissionsschutzbehörde gem. §52 I BImSchG und den Immissionsschutzbehörden der Länder und Kommunen die Pflicht zu, die Durchführung des BImSchG, der Ländergesetze und der zugehörigen Rechtsverordnungen zu überwachen. Hierzu müssen die Behörden Genehmigungen im Sinne des § 4 BImSchG regelmäßig überprüfen und ggf. auf den neuesten Stand bringen. Es existieren besondere Gegebenheiten, bei deren Eintreten eine solche Überprüfung in jedem Falle vorgenommen werden muss. Gem. § 52 Abs.1 Nr.1 BImSchG muss eine Überprüfung erfolgen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schutz der Nachbarschaft und der Allgemeinheit nicht ausreichend ist und deshalb die in der Genehmigung festgelegten Begrenzungen der Emissionen überprüft oder neu festgesetzt werden müssen. Bei immissionsschutzrechtlichen genehmigungsfreien Anlagen besteht diese Überwachungs- und Einschreitungspflicht umso mehr, als die Einhaltung des aktuellen Stands der Technik zur Lärmminderung, somit die direkte Emissionsbegrenzung an den Anlagen, rechtsfehlerhaft vernachlässigt wird.
Sowohl Baubehörden als auch Immissionsschutzbehörden haben bei Kenntnis eines Sachverhalts, welcher den Kernbereich des § 325 a StGB tangiert, genügend Anhaltspunkte dafür, dass der Schutz der Nachbarschaft und der Allgemeinheit nicht mehr ausreichend gewährleistet ist. Die Behörden müssen zur Wahrung ihrer Überwachungspflichten (erneute) Überprüfungen anordnen (OVG Berlin-Brandenburg Urt. v. 15.04.2001 OVG 11 S 23.10)